Jedes einzelne Häuschen entlang dieses Weges in Gera ist ein Unikat

 

Kennen Sie das? Sie gehen mit ihren Kindern in der Natur spazieren. Links und rechts des Wegesrandes befinden sich Wiesen, Bäume und Blumen – alles grünt. Schnell ist zu hören: „Ich kann nicht mehr. Mir ist langweilig.“ Um die Kinder bei Laune zu halten, gibt es unter anderem Geh-Verse wie „Ein Hut, ein Stock, ein alter Mann, vor, zurück, zur Seite, ran …“ oder „Pommes, Majo, Currywurst, Limo, Saft und Wasserdurst. Und zum Nachtisch – es ist heiß, ein riesengroßes Erdbeereis.“ Mit diesen Versen und den entsprechenden Schrittkombinationen sind schnell wieder einige Wandermeter geschafft.

Doch im Gessental, auf dem Naturlehrpfad Süd, gibt es eine ganz andere Abwechslung. Nicht nur für Kinder ein toller Anblick. Alle paar Meter hängen sie an einem Baum. Mal mehr, mal weniger versteckt. Es sind individuell gestaltete Nistkästen. Diese zu entdecken und zu erkennen, welches Thema behandelt wird, macht den Pfad für alle zu einem kurzweiligen Erlebnis.

Manfred Braune aus Thränitz steht hinter den Nistkästen. Der heute 89-Jährige hat sie gefertigt aus Birkenholz und jeden einzelnen ganz individuell bemalt. Vögel, Märchen, Max und Moritz, die Friedenstaube, Fachwerk und vieles mehr zieren die Nistkästen. „Im Gessental von Pforten bis zur Drachenschwanzbrücke in Ronneburg haben wir etwa 60 Nistkästen angebracht. Wir wollten das Tal verschönern. Es liegt uns am Herzen. Wir sind gerne dort“, erzählt Gerlinde Braune, Manfreds Frau. Dass noch alle vorhanden sind, glauben die beiden nicht. „Einige sind zerstört, andere gestohlen.“ So mancher Kasten wurde in den vergangenen Jahren aber auch zu den Braunes zur Reparatur gebracht.

Bis vor sechs Jahren – dann machte ihm die Gesundheit einen Strich durch die Rechnung – hat der gebürtige Thränitzer Nistkästen gebaut und im Betrieb Anhänger Braune noch mitgewirkt. Jetzt führt sein Sohn mit seiner Familie das fast 100 Jahre alt Familiengeschäft.

Gut 145 Nistkästen sind in Braunes letzten zwei, drei Arbeitsjahren entstanden. Sie hängen im Ort, bei Braunes auf dem Grundstück oder bei der Verwandtschaft im Erzgebirge. Zahlreiche Kästen hat Manfred Braune aber auch verschenkt. Gerlinde Braune zeigt auf ihre Terrasse. Drei Kästen verstecken sich in den Bäumen. „Sie sind fast immer bewohnt“, freut sie sich. „Wir sehen immer, wie die Meisen aus- und einfliegen. Dieses Jahr haben wir aber den Auszug verpasst.“

Braunes können sich um den Erhalt der Kisten nicht mehr kümmern. Sie hoffen, dass sich andere finden. „Wir wären dankbar, wenn die Kästen gepflegt und vielleicht auch fortgeführt werden“, sagt der 89-Jährige. Er weiß, dass der Thränitzer Thomas Schipke schon einige repariert und wieder angebracht hat. Ein einem Legostein ähnelnder Nistkasten hat sich im Gessental schon eingereiht. Er stammt nicht aus der Werkstatt Braunes. „Vielleicht finden sich ja welche, die die Tradition fortsetzen“, so Familie Braune.

olz und Pinsel waren nicht immer Braunes Arbeitsgegenstände. Manfred Braune ist Schmiede- und Hufbeschlagmeister und Schweißtechnologe. Sein Berufsleben verbrachte er im Jahr 1928 gegründeten Familienunternehmen Anhänger Braune. Mittlerweile leitet sein Sohn Jörg Braune das familiengeführte Unternehmen in vierter Generation.

Manfred Braune baute in seinem Berufsleben insgesamt 2000 Anhänger, wie er erzählt. Der erste war sein Meisterstück. „Ich war auch der Einzige in der DDR, der Anhänger mit zwei Achsen gebaut hat.“ Seine Frau erzählt, wie Manfred Braune zu DDR-Zeiten auf Autobahnraststätten ausharrte, um unter westliche Anhänger zu schauen. Er wollte wissen, wie die doppelachsigen Tandem-Anhänger gebaut waren. Bis zu seinem 83. Lebensjahr war er im Betrieb anzutreffen.

Quelle: https://www.otz.de/lokales/gera/article409254864/jedes-einzelne-haeuschen-entlang-dieses-weges-in-gera-ist-ein-unikat.html

Kommentar verfassen