Von Ilona Berger
Gera-Collis. Bianca, Romi, Petra und Gerda sind im Paradies. Am östlichen Stadtrand von Gera können sie auf 60 Hektar Weideland grasen, laufen und springen. 24 eigene Pferde der Rassen Shetland und Reitponys aus eigener Zucht sowie Kaltblüter und Schweres Warmblut finden sich seit Mai auf den Koppeln. „Draußen ist für sie der natürlichste Lebensraum. Meist frisst aber das Pferd. 18 Stunden am Tag, und es säuft zwischen 50 bis 60 Liter“, berichtet Olaf Uhlemann.
Einstündige Touren mit Ausblicken
Der Pferdenarr sagt scherzhaft, als er die Tiere beobachtet: „Das größte Glück der Pferde ist der Reiter auf der Erde.“ Er selbst sei bei Ausritten noch nicht gestürzt. Diese begleitet seine Frau Claudia. Sie ist nicht nur eine erfolgreiche Dressurreiterin. Die 38-Jährige kennt sich auch bestens mit Schaltkreisen, Mess-, Steuer- oder Regelanlagen aus. Als Elektrikerin ist sie auf Montage. Claudia Uhlemann sucht auch die einstündigen Touren am Wochenende aus. „Wir zeigen unter anderem den Grenzsteingarten im Gessental. 1918 verlief hier die Grenze zwischen dem Königreich Sachsen, dem Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach und dem Herzogtum Sachsen-Altenburg. Die Steine wurden in die topographische Denkmalliste des Bundes aufgenommen“, wirbt der Ehemann. Bei den Ausritten im und ums Gessental traben die Pferde auf ausgezeichneten Wegen und über Felder und Wiesen.
Wer dabei sein will, muss Grundkenntnisse mitbringen. Die werden vorher geprüft. Tragen von Reiterhelm und festen Schuhen ist eh Pflicht. Bei Ausritten von zwei Stunden empfiehlt Uhlemann keine Jeans, weil die Nähte reiben. Gewittert oder regnet es, geht es natürlich nicht raus. Und im Winter? „Da entscheiden wir je nach Bodenverhältnissen“, so der Pferdewirtschaftsmeister. Schon wieder hat er einen grotesken Spruch parat und grinst dabei: „Wer nichts wird, wird Wirt. Wer da nichts wird, wird Pferdewirt.“
Der 49-Jährige, der den Betrieb seines Vaters weiterführt, kann auf dem Hof sein Faible für Kutsch- und Kremserfahrten ausleben. „Ist einfach entspannend.“ Und er weist sofort auf den Unterschied beider Fortbewegungsmittel hin. „In den Kremser passen zwölf Leute und in die Kutsche vier.“ Gera-Pforten-Ronneburg ist eine Strecke, die die Gäste mögen. „Wir kommen an Kopfweiden vorbei, sehen je nach Jahreszeit Adonisröschen und Himmelschlüssel. Und ich erzähle den Reisenden etwas über den Bergbau.“ Das Anspannen an den Kremser erledigt Sohn Nils. Sein Lieblingspferd ist Lord, ein Schweres Warmblut, mit zwölf Jahren ein Jahr älter als Nils.
Die Hobby-Pferdezucht der Familie Uhlemann war die Grundlage für den 1991 gegründeten Betrieb. Es folgten der Bau der Reithalle, der Außenboxen, des Turnier-, Sand- und des Rasenplatzes. Jahr um Jahr verbesserten die Uhlemanns die Bedingungen für Pferd und Reiter. Heute gibt es in Collis 31 Boxen. Sie sind mit eigenen sowie gegenwärtig zehn Pensionspferden belegt.
Kiara Winter aus Gera ist auf dem Sandplatz mit Mythos, „einem gemütlichen und ruhigen Pferd“ unterwegs, urteilt die 14-jährige Schülerin. Reiten bedeutet für sie Stressabbau. „Außerdem laufe ich aufrechter.“ Eine Oma will ihrer Enkelin eine Reitstunde schenken. Das Reiten lernen, ist in Collis mit Schuleintritt möglich. Warum fast 98 Prozent der Reiter hier Mädchen sind, kann Olaf Uhlemann nicht beantworten. Er zuckt mit den Schultern. Vielleicht, weil es viele Pferdecomics und -bücher gibt. Er erinnert sich an eine Anfängergeschichte. „Ein Mädchen saß auf Axel. Das Tier stand auf dem Reitplatz. Plötzlich sprang es über ein Hindernis. Dachte, jetzt muss ich darüber. Das Mädchen fiel nicht runter, weil es instinktiv die Schenkel fest an den Sattel gedrückt hat.“
Weil Olaf Uhlemann gerade erzählt, legt er nach. Im Frühjahr habe er eine Box geöffnet und wollte ein Pony zum Reiten herausholen. Die beiden anderen Tiere nutzten die Gunst der Stunde und büxten aus. Nach einer Stunde fand er sie mit einem Nachbar in Thränitz friedlich auf einer Wiese fressen. „Durch die Ausritte, wissen die Tiere , wo Futter wächst.“ Im Reiterhof hat auch der Reit- und Fahrverein Collis seinen Sitz. Er veranstaltet jetzt im Herbst einen Wochenendlehrgang mit einem renommierten Reittrainer und Wettkampfrichter.
Was wünscht man eigentlich einem Reiter für seinen Ritt? „Hufschlag frei.“
Quelle: OTZ