Zukunftsmusik

Unitymedia baut in Südbaden sein Netz auch im ländlichen Raum aus. Mit einem schonenden Verlegeverfahren wird die Glasfaser bis ins Haus gelegt – und auf den Bauernhof.

Lauchringen in Südbaden: Hier kommt man schnell an die Grenze. Nicht nur, weil ein paar hundert Meter weiter die Schweiz beginnt. Auch beim Internetzugang ist hier unten bei ein paar Mbit/s Schluss – breit – breit sind hier vor allem die Umgehungsstraßen. Doch der Kabelnetzbetreiber Unitymedia baut sein Netz aus und will Internet mit bis zu 400 Mbit/sanbieten. Auch auf dem Bauernhof.

Glasfaser in der Provinz

Solche Bandbreiten gibt das hybride TV-Kabelnetz (HFC-Netz, Hybrid Fibre Coax) schon heute her – und mit der geplanten Einführung des neuen Kabelstandards Docsis 3.1 kann das Koaxialkabel dereinst bis zu 10 Gbit/s und 1 Gbit/s im Upload schaffen. Bei Neuerschließungen und Ausbauprojekten macht Unitymedia sein Netz deshalb gleich fit für die „Giga-Sphere“ und verlegt Glasfaser so weit es geht an und in die Immobilie (FTTC, Fibre to the Curb; FTTB, Fibre to the Building). Die mit Breitband unterversorgten Wohn- und Gewerbegebiete werden mit einer Kombination aus Coaxial- und Glasfasernetz an die Backbones angebunden.

Derzeit erhalten zwei größere, mit schnellen Internetverbindungen bislang unerschlossene Wohngebiete mit 400 Haushalten auch gleich ein Glasfaserkabel in ihre Keller (FTTB). Außerdem bekommen drei Bauernhöfe mit neun Wohngebäuden im Lauchringer Umland Glasfaser bis ins Haus – Fibre-to-the-Farm. Das ganze beruht auf einer Initiative der Bürger und ihres besonders breitbandenthusiastischen Bürgermeisters Thomas Schäuble. 800.000 Euro beträgt das gesamte Investitionsvolumen dieses Microtrenching-Pilotprojekts, für das Unitymedia eng mit der Gemeinde und den jeweiligen Hauseigentümern kooperiert. Öffentliche Fördermittel gab es keine.

Neues Tiefbauverfahren

Dafür muss gebuddelt werden. Tiefbauarbeiten für Kabelverlegung sind jedoch teuer und führen zu leidigen Baustellen, weil Straßen aufgerissen und gesperrt werden müssen. Doch es gibt Alternativen. Unitymedia setzt in einem Pilotprojekt erstmals auf das sogenannte „Microtrenching“, um einen Teil der mit „Dorf-DSL“ nicht gerade breitbandverwöhnten Bevölkerung Lauchringens mit Highspeed-Internet zu versorgen.

Hauptvorteil ist, dass mit diesem Verfahren sich lange Strecken Glasfaserkabel schnell und zu vergleichsweise günstigen Kosten in den Boden einbringen lassen. Vor der Verlegung müssen die Bauarbeiter mit einem Bodenradar (auch Georadar genannt) untersuchen, ob sich andere Leitungen unter dem Asphalt verbergen. Dann kommt die „Cleanfast-Fräse“ zum Einsatz: Mit einer riesigen Felsenfrässcheibe gräbt die Baumaschine einen Schlitz von etwa 13 Zentimeter Breite und 40 bis 50 Zentimeter Tiefe in den Asphalt.

Microtrenching hat Zukunft

Die speziellen Fräsmaschinen werden vom Bauunternehmen Leonhard Weiss eingesetzt. Die Firma hat bereits mehrere hundert Kilometer Kabel auf diese Weise verlegt. Gebaut werden die Maschinen vom französisch-italienischen Hersteller Tesmec/Marais. In Lauchringen kommt nicht nur die Fräse direkt aus Frankreich, sondern auch einige speziell geschulte Facharbeiter. Von beiden gebe es in Deutschland gegenwärtig zu wenig, erklärt der Projektverantwortliche von Tesmec/Marais, Thomas Caugigh.

Die Cleanfast-Fräse erledigt alles in einem Arbeitsgang: Die rotierende Scheibe schneidet den Straßenbelag auf, fräst den Schlitz aus und saugt auch den Aushub ein, der anschließend auf eine Deponie gebracht wird. Von einer großen Rolle kommen dann anschließend die Leerrohre in den Graben. Der Schlitz wird dann mit einem isolierenden Granulat aufgefüllt, das von den am Pilotbauprojekt beteiligten Partnern zusammen mit der Hochschule Biberach entwickelt wurde. Je nach Beschaffenheit der Straße können dafür auch festere Verfüllbaustoffe verwendet werden, die dann mehr oder weniger oft mit einem Rüttler verdichtet werden müssen. Abschließend wird die Oberfläche des Schlitzes geglättet und ist nach kurzer Zeit wieder begeh- und befahrbar. Nach Abschluss der Bauarbeiten können die Glasfasern mit Druckluft in die Leerrohre eingeblasen werden.

Schnellere Bauzeit

Mit Microtrenching kann acht- bis zehnmal schneller als auf herkömmliche Weise gebaut werden. Bis zu 500 Meter Kabel verlegen die Arbeiter mithilfe der Cleanfast-Fräse am Tag. Woraus reale Baukosteneinsparungen von 30 bis 40 Prozent resultieren, rechnet Klaus Jung, Direktor Netzausbau von Unitymedia, vor. Eine schnellere Bauzeit hat viele Vorteile: Weniger Fahrtzeit von Maschinen und weniger Personalbedarf, weniger Lärm, kaum Straßensperrungen, weniger Energie- und Ressourcenverbrauch und damit auch weniger CO2-Ausstoß.

Nach Expertenschätzungen wurden in mehreren europäischen Ländern bereits mehr als 15.000 Kilometer Kabel im Microtrenching-Verfahren verlegt worden. In Deutschland sind es bisher noch nicht so viele, doch könnte sich das ändern. Die Bundesregierung empfiehlt die Technik als besonders effizient hat sie gesetzlich in ihrer Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG) verankert.

Die "Erdrakete" rüttelt sich ins Ziel.
Die „Erdrakete“ rüttelt sich ins Ziel. Vergrößern
Bild: Wikimedia Commons/FBaumgartner/CC BY-SA 3.0

Ist das Leerrohr mit etwa zehn Zentimeter Durchmesser vergelegt und der Asphalt über dem schmalen Graben wiederhergestellt, kommt ein anderes Bauteam zum Einsatz: Mit einer sogenannten „Erdrakete“ wird am Kabelabzweiger die Verbindung zum Hausübergabepunkt gelegt, der in der Regel im Keller des Hauses installiert wird. Die Rakete ist ein pneumatisch betriebener Bodenverdrängungshammer, mit dem man einen unterirdischen Tunnel bohren kann, in den dann Rohre oder Kabel eingezogen werden. So gelangt die Glasfaser bis ins Haus (FTTB). Innerhalb des Gebäudes laufen die Daten bei Unitymedia dann über das Koaxialkabelnetz.

Fibre to the Farm

Von dem Ausbau profitieren auch einige Bauernhöfe im direkten Umland Lauchringens. Zum Beispiel die Schmidle-Ranch: Alexander Schmidle wünscht sich für seinen Betrieb ein paar mehr Mbit/s. Die moderne Landwirtschaft ist digital und braucht Bandbreite. 50 Kühe stehen in seinem Stall, die selbstständig zum Melken kommen und von einem Roboter abgemolken werden. Dazu betreiben Schmidle und sein Vater eine Biogasanlage mit 330 Kilowatt Leistung. Und auch Acker- und Grünland gilt es zu bestellen.

Das gibt viel zu überwachen und zu steuern – etwa den Melkroboter, der per Internet kontrollierbar ist. Für die Errichtung eines Blockheizkraftwerks auf der Biogasanlage wird von den Behörden für Wartungsarbeiten oder Störungsbeseitigung eine Internetverbindung mit mindestens 2 Mbit/s erwartet, erläutert Schmidle. Für verschiedene Anträge an die Behörden müssen auch hochauflösende Luftbilder eingereicht werden. „Das raubt einem fast die Nerven, wenn man da vor einem Computer mit langsamer Internetverbindung sitzt“, erzählt Schmidle. Aber dieses Thema hat sich ja für ihn und seinen landwirtschaftlichen Betrieb nun bald erledigt – FTTF sei Dank.

Microtrenching in Lauchringen (Schnitt, Text: heise online/Bildmaterial: Unitymedia)

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